Eröffnungskonferenz 2019
Bericht zur Eröffnungskonferenz „Imaginationen von Nachhaltigkeit“ am 29. November 2019 an der Universität Hamburg.
Erschienen auch auf der Plattform H/Soz/Kult
Die Eröffnungskonferenz der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe „Zukünfte der Nachhaltigkeit: Modernisierung, Transformation, Kontrolle“ stellte kollektive Imaginationen ins Zentrum der Diskussion und fragte, welche Zukunftsentwürfe und mit ihnen verbundenen Konfliktlinien im Kontext von Nachhaltigkeit derzeit entstehen. Vordergründig geht es dabei nicht um Prognostik, sondern um eine Gegenwartsanalyse, deren zentrale Frage lautet, wie sich moderne Gesellschaften verändern, wenn sie sich von unterschiedlichen Imaginationen von Nachhaltigkeit leiten lassen. Nach der Begrüßung durch Sighard Neckel und die Fakultätsdekanin Gabriele Löschper thematisierte Frank Adloff in seinen einleitenden Worten konträre Zukunftsimaginationen zwischen „Kollaps“, „Krise“, „Technikoptimismus“ und einem „weiter so“, die sich momentan in unterschiedlichen sozialen Bewegungen und politischen Interessengruppen widerspiegeln.
Im Eröffnungsvortrag „Zukunftsangst und Naherwartung. Über aktuelle Endzeitszenarien und ihre Konflikte“ widmete sich Albrecht Koschorke (Konstanz) politischen Polarisierungen, die im Zusammenlag mit Nachhaltigkeitserzählungen entstehen. Konzeptionell legte er den Schwerpunkt dabei auf ein dichotomes Schema von schließenden und öffnende Erzählungen bzw. Weltanschauungen, anhand dessen Korschorke illustrierte, inwiefern das Nachhaltigkeitsnarrativ auch zu Abschottungstendenzen beiträgt, wie sie momentan vor allem in rechtspopulistischen Bewegungen zu beobachten sind. Im Anschluss wurde der Vortrag von den beiden Kolleg-Fellows Peter Wagner (Barcelona) und Gerard Delanty (Sussex) kritisch kommentiert.
Die Kolleg-Fellow Suzi Adams (Adelaide) setzte sich in Ihrem Vortrag „Castoriadis, Social Imaginaries, and Ecology: Modernity and its Futures” mit dem Werk des griechisch-französischen Philosophen Cornelius Castoriadis auseinander, der als eine der prägendsten Figuren des Forschungsfeldes der social imaginaries gilt. Neben einer kurzen Einführung in das umfangreiche Castoriadische Werk und der Klärung einiger zentraler Begrifflichkeiten, wie den social imaginary significations, legte sie den Schwerpunkt auf Castoriadis‘ Beitrag zur Naturphilosophie und Politischen Ökologie. Kommentiert wurde dieser Vortrag durch die Kolleg-Fellow Aurea Mota (Barcelona) und Frank Adloff (Hamburg)
In der abschließenden Podiumsdiskussion mit dem Titel „Die Sozialwissenschaften zwischen Katastrophe, Normalisierung und Zuversicht“ wurde insbesondere die Rolle der Sozialwissenschaften vor dem Hintergrund der ökologischen Zerstörung beleuchtet. So argumentierte Peter Wagner, dass die Diagnose und derzeitige Relevanz einzelner tipping points nach einer Sozialwissenschaft verlangt, die es versteht, mit diesen Unsicherheiten konzeptionell umzugehen. Ähnliche Argumente lieferte auch Sighard Neckel, der sich für eine Sozialwissenschaft aussprach, die die Diskontinuitäten und Instabilitäten, aber auch die kreative Gestaltungsmacht von Gesellschaften in den Mittelpunkt rückt und die sich v.a. von fragewürdigen Normalitätsvorstellungen der Vergangenheit verabschiedet. Während Gerard Delanty für eine „reflexive Interpretation“ plädierte und hervorhob, dass die Frage nach Nachhaltigkeit auch immer mit der Analyse von Nicht-Nachhaltigkeit verbunden sein muss, argumentierte Sarah Lenz, dass insbesondere das interdisziplinäre Verhältnis zwischen Sozial- und Naturwissenschaften einer Klärung bedarf, was zugleich bedeutet, in einen engeren und intensiveren Dialog zu gehen. Tanja Busse schloss sich dieser Position an, indem sie von einem „Lernen aus den Naturwissenschaften“ sprach. Der biologische Prozess der Symbiose mache deutlich, dass wir uns von einem Anspruch auf „Natur-Beherrschung“ verabschieden und zu einem Naturverständnis und -verhältnis gelangen müssten, das durch Kooperation und Koexistenz geprägt sei.
Die Eröffnungskonferenz machte deutlich, dass neben einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Konzept der social imaginaries eine Reihe an Folgefragen und ungelöster Probleme aufgeworfen werden. So bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit sozialwissenschaftlicher Theoriebildung und der Rolle der Disziplin: So wird das Anthropozän von der Annahme bestimmt, dass die menschengemachte ökologische Zerstörung verstärkt Unsicherheiten hervorbringt und der Mensch irreversibel auf das Erdsystem einwirkt. Erfordert dies ein Überschreiten grundlegender Dichotomien wie der zwischen Natur und Kultur? Welche theoretischen Konsequenzen ergeben sich daraus auch für das Selbstbild der Soziologie? Müssen die Sozialwissenschaften sich stärker politisch positionieren, um auch der zu beobachtenden radikalen politischen Polarisierung entgegenwirken zu können? Welche Rolle spielt das Leitbild der Nachhaltigkeit innerhalb dieses Prozesses gesellschaftlicher Spaltung? Diese und ähnliche Fragen werden zukünftig im Mittelpunkt der Aktivitäten der Kollegforschungsgruppe stehen.
"Imaginationen von Nachhaltigkeit"
Eröffnungskonferenz der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe "Zukünfte der Nachhaltigkeit"
Freitag, 29.11.2019, 14:00-18:00 Uhr
ab 18:15 Uhr Empfang
Gorch-Fock-Wall 3, 20354 Hamburg, 1. OG, Raum 1021
Modernisierung, Transformation und Kontrolle lassen sich heute als unterschiedliche Entwicklungspfade von Nachhaltigkeit erkennen, bei denen es sich um drei Möglichkeitsräume gesellschaftlichen Wandels handelt. Sie rahmen nicht nur politisches und ökonomisches Handeln, sondern zeigen vor allem an, welche Imaginationen von Zukunft gegenwärtig konflikthaft ausgetragen werden. Als positive oder negative Vorstellungswelten, als erdachte Erwartungen und gedankliche Zukünfte sind Imaginationen für Praktiken der Nachhaltigkeit von entscheidender Bedeutung.
Die Eröffnungskonferenz des Kollegs stellt daher kollektive Imaginationen ins Zentrum der Diskussion und fragt, welche Zukunftsentwürfe und mit ihnen verbundene Konfliktlinien im Kontext von Nachhaltigkeit derzeit entstehen. Hierbei geht es nicht um Prognostik, sondern um eine Gegenwartsanalyse, deren zentrale Frage lautet, wie sich moderne Gesellschaften verändern, wenn sie sich von verschiedenen Imaginationen von Nachhaltigkeit leiten lassen.
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