Filmreihe "TENSE FUTURES - FUTURE TENSES. Um/Welten im Film"
Kann ein langsam fortschreitendes Phänomen wie der menschengemachte Klimawandel überhaupt filmisch dargestellt werden? Mit dieser Frage vor Augen blickt die Filmreihe in einer Auswahl von Science-Fiction-, Experimental-, Dokumentar- und Spielfilmen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf sozial-ökologische Krisen und Katastrophen. In Zeitraffer und Zeitlupe, aus Vogel- und Froschperspektive erzählen die Filme von vergangenen, zukünftigen und gegenwärtigen Szenarien der Welt. Angekommen in der Gegenwart vergangener apokalyptischer Zukunftsbilder, werfen diese Imaginationen aus heutiger Sicht neue Fragen auf und produzieren wiederum neue filmische Welten, in denen gesellschaftliche und ökologische Krisen, aber auch utopische und konkrete Handlungsoptionen thematisiert sind.
Die Reihe umfasst insgesamt elf Termine und bespielt drei unterschiedliche Orte Hamburgs: das Metropolis Kino, das B-Movie und die MS Stubnitz. Jeder Film wird von einem inhaltlichen Input einer Expert:in begleitet.
Die Tickets werden über den jeweiligen Veranstaltungsort erworben. Im Metropolis gibt es eine Ermäßigung für Studierende (6€ statt 9€), im B-Movie und der MS Stubnitz läuft die Ticketausgabe auf Spendenbasis (Empfehlung B-Movie: 4-8€; Empfehlung MS Stubnitz: 5-10€).
03.11.2023, Fr, 19:00, B-Movie: "Back Home! A Journey Through The Rise (And Fall?) of The Capitalocene"
D 2023, 91', OmU, Regie: Aleksi Kuesy, Trailer
Zu Gast: Aleksi Kuesy
Die 2-Kanal-Videoinstallation zeigt ein fulminantes, assoziativ verknüpftes audiovisuelles Archiv zum Klimawandel. Die filmische Arbeit versammelt auf der Leinwand den Diskurs der Klimawissenschaft im Kontext des politischen Klimas der letzten 40 Jahre. Die rastlose Arbeit bestehend aus Found-Footage aus Funk und Fernsehen ist dabei ein Appell, nicht noch mehr Zeit im Kampf gegen den Klimawandel zu verlieren. Sie führt das Scheitern der Politik vor Augen, der es nicht möglich war, eine wirksame globale Abmachung zu erzielen, um die schädliche Veränderung des Klimas zu stoppen. Parallel dazu werden auf einem zweiten Bildschirm verschiedene audiovisuelle Inhalte, vor allem aus westlicher Pop-Kultur, gezeigt.
Aleksi Kuesy ist ein mexikanischer Klimaaktivist und Künstler mit ingenieurswissenschaftlichem Hintergrund und lebt und arbeitet in Hamburg.
05.11.2023, So, 19:30, Metropolis: "Koyaanisqatsi"
US 1982, 86', ohne Dialog, Regie: Godfrey Reggio, Trailer
Zu Gast: Sighard Neckel (Soziologe)
Ein Film als Erfahrung, Reise und Trip. Der Rausch aus Bildern und Musik konfrontiert dabei unterschiedliche Welten miteinander und ist ein Klassiker der jüngeren Filmgeschichte geworden. Bekannt für seine einzigartige Herangehensweise an die Bildgestaltung im Umgang mit Zeitraffer, Zeitlupe und Teleobjektiv, legt der Film einen künstlerischen Zugang zu Fragen des technischen Fortschritts und zu den Auswirkungen menschlichen Handelns auf unseren Planeten. Der Film nimmt das Publikum mit auf eine Reise der Gegensätze zwischen vermeintlich unberührten Landschaften, den Strukturen städtischer Modernität, ihren technologischen Entwicklungen und den Umweltauswirkungen. Dabei bleibt das monumentale Werk eher abstrakt und gibt keine traditionelle narrative Erzählstruktur vor, allein die Musik von Philip Glass verleiht dem Film seine hypnotische Wirkung.
Sighard Neckel ist Soziologe und Professor für Gesellschaftsanalyse und sozialen Wandel an der Universität Hamburg. Er ist Sprecher der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe „Zukünfte der Nachhaltigkeit“ an der Universität Hamburg.
07.11.2023, Di, 19:00, Metropolis: "Soylent Green"
US 1973, 97', DCP, Regie: Richard Fleischer, Trailer
Zu Gast: Sören Altstaedt (Soziologe)
Eine düstere und beunruhigende Ökodystopie, die zu den Klassikern des Science-Fiction-Genres zählt. Der Film aus den frühen 70er Jahren zeigt New York im Jahre 2022: Die Stadt wird von einer andauernden Hitzewelle geplagt und vierzig Millionen Menschen kämpfen aufgrund knapper Ressourcen ums Überleben. Einige wenige Privilegierte leben in klimatisierten Hochhäusern und genießen noch Fleisch und Whiskey. Für alle anderen gibt es Pellets, Soylent Green genannt, die angeblich aus Algen gewonnen werden. Als der Polizist Robert Thorn (Charlton Heston) den Mord an einem reichen Hochhausbewohner aufklären soll, kommt er langsam dem Geheimnis hinter Soylent Green auf die Spur. Der Film erforscht Themen wie Umweltzerstörung, Überbevölkerung, soziale Ungerechtigkeit und soziale Konsequenzen von Technologie und Wissenschaft.
Sören Altstaedt ist Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe „Zukünfte der Nachhaltigkeit“ an der Universität Hamburg.
08.11.2023, Mi, 19:00, B-Movie: "Phase IV"
US/GB 1974, 84', OmU, Regie: Saul Bass, Trailer
Zu Gast: Max Haertel (Biologe)
Ein unkonventioneller Science-Fiction-Film, der auf subtile und unheimliche Weise die Stellung der Menschheit und ihr Verhältnis zur Natur in Szene setzt. Surreale Landschaften wechseln sich mit visuell beeindruckenden Bildern von Ameisenkolonien ab. Die Handlung konzentriert sich auf zwei Wissenschaftler, Dr. Ernest D. Hubbs (Nigel Davenport) und James R. Lesko (Michael Murphy), die in der entlegenen Wüste von Arizona seltsame Verhaltensänderungen bei Ameisen bemerken. Diese Ameisen scheinen sich auf unerklärliche Weise zu organisieren. Die beiden Wissenschaftler beginnen, das Verhalten der Ameisen genauer zu erforschen und es wird offensichtlich, dass die Ameisen eine Bedrohung für die Menschheit darstellen könnten. Ohne auf typische Horror-Elemente zurückzugreifen, schafft der Film eine Atmosphäre des Unbehagens im Zeitalter des Anthropozäns.
Max Haertel ist Biologe mit dem besonderen Interessensgebiet Insekten, dabei ganz konkret die Kommunikation und Koloniebildung der Ameisen. Aktuell untersucht er die Biodiversität unterschiedlicher Ameisenarten in einem Forschungsaufenthalt in Südafrika.
10.11.2023, Fr, 19:00, B-Movie: "The Day After Tomorrow"
US 2004, 123', OmU, Regie: Roland Emmerich, Trailer
Zu Gast: Theresa Mieslinger (Meteorologin)
Ein enormer Kälteeinbruch führt zu extremen Wetterbedingungen auf der ganzen Welt, darunter Wirbelstürme, Überschwemmungen und riesige Hagelstürme. Die Temperaturen sinken rapide, und große Teile der Welt versinken im Chaos. Der Film zeigt die verzweifelten Bemühungen von Dr. Hall (Dennis Quaid), seine Familie und andere Überlebende inmitten der eisigen Apokalypse zu schützen. Gleichzeitig stellt der Film Fragen zur Klimaveränderung und zur menschlichen Verantwortung für die Umwelt.
Theresa Mieslinger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Meteorologie und beschäftigt sich mit Klimasimulationen, die die Möglichkeit bieten, kleinskalige und größere Prozesse wie den Golfstrom besser zu verstehen. Außerdem hat sie eine besondere Faszination für Wolken.
12.11.2023, So, 12:30, B-Movie: Double-Feature-Matinee "Sonne Unter Tage" und "Sonnensucher"
1. "Sonne Unter Tage"
D 2021, 39', OmU, Regie: Mareike Bernien, Alex Gerbaulet, Infos zum Film
Zu Gast: Mareike Bernien & Alex Gerbaulet (das Gespräch findet nach "Sonne unter Tage" statt)
Eine mehrstimmige Erzählung tastet sich durch die Zeiten. Im Fokus des essayistischen Dokumentarfilms stehen die Uranabbaugebiete in Sachsen und Thüringen, die von der ehemaligen Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut zeugen. Unter Tarnnamen gehörte diese von 1946 bis 1990 zu einem der größten Uranproduzenten weltweit. Die Bildebene führt dabei die Grenzen der Sichtbarkeit selbst vor Augen und visualisiert so die Wirkung der unsichtbaren radioaktiven Strahlen, an deren Geschichte der Film sich entlangzieht – Strahlen, die man weder fühlen noch riechen oder schmecken kann, die aber geopolitische, landschaftliche und körperliche Spuren hinterlassen haben. Auf beunruhigende Weise strahlt das Archiv deutsche Nukleargeschichte bis in unser gegenwärtiges Ökosystem und darüber hinaus.
Mareike Bernien und Alex Gerbaulet leben und arbeiten als Künstlerinnen und Filmemacherinnen in Berlin. Ihren Arbeitsweisen ist gemeinsam, dass sie häufig von Objekten oder Orten ausgehen und sich für die darin lagernden gesellschaftspolitischen Formationen und Konflikte interessieren.
2. Sonnensucher
DDR 1958, 114', OmU, Regie: Konrad Wolf, Infos zum Film
Unter der Regie von Konrad Wolf entstand 1958 der einzige DEFA-Spielfilm zum Thema Uranabbau. Das Melodrama konzentriert sich auf die Arbeiter einer Uranmine der Wismut-AG im Erzgebirge. Auf engem Raum werden unterschiedliche Charaktere zusammengeführt: Zwangsarbeiterinnen, sozialistische Kumpel, Ex-Nazis und sowjetische Ingenieure. Der Film beleuchtet die Ideale und die politische Propaganda der DDR, die die Arbeit in den Uranminen als einen Beitrag zur sozialistischen Gesellschaft darstellt. Da der Film bei Fertigstellung nicht mehr zur außenpolitischen Abrüstungsstrategie der Sowjetunion passte, durfte er erst 14 Jahre nach Fertigstellung öffentlich gezeigt werden. Der Film bleibt bis heute ein einmaliges Dokument dieser Zeitgeschichte und eine dichte Beschreibung der Bergbauwelt. Die Dreharbeiten der Außenaufnahmen wurden hauptsächlich in Johanngeorgenstadt, eine Stadt im sächsischen Erzgebirgskreis durchgeführt, wo der Uranbergbau 1956 eingestellt wurde.
14.11.2023, Di, 19:30, MS Stubnitz: "Neptune Frost"
RW/US 2021, 105', OmU, Regie: Saul Williams, Anisia Uzeyman, Trailer
Zu Gast: Adyam Tesfamariam (Autorin & Sozialwissenschaftlerin) / Das Gespräch findet vor dem Film statt.
Auf den Hügeln von Burundi hat sich eine Gruppe entflohener Coltan-Minenarbeiter zu einem aufständischen Computer-Hacker-Kollektiv zusammengeschlossen. Von ihrer Elektroschrott-Deponie aus versuchen sie, das autoritäre Regime zu stürzen, das die natürlichen Ressourcen der Region sowie deren Bewohner*innen ausbeutet. "Neptune Frost" bietet Raum für Interpretationen und Diskussionen über die komplexen Zusammenhänge zwischen Technologie, Umweltveränderungen und sozialen Ungerechtigkeiten im Anthropozän. Der Film regt dazu an, über die global ungleich verteilten Auswirkungen des Klimawandels und die Verantwortung des globalen Nordens nachzudenken.
Adyam Tesfamariam ist leidenschaftliche Texterin, studiert Sozialwissenschaften, gibt Workshops im Bereich Anti-Rassismus und Empowerment und ist DJ. In ihrer Arbeit kommen mehrere Elemente aus Afrofuturismus zusammen, die ihre Begeisterung für das Schreiben, Musik und Schwarzen Widerstand und Befreiung verbinden.
19.11.2023, So, 12:00, B-Movie: "Geographies of Solitude"
CA 2022, 103', OmU, Regie: Jacquelyn Mills, Trailer
Zu Gast: tba
Zwei Frauen auf einer einsamen Insel vor der Küste Nova Scotias: Sable Island. Die Naturschützerin Zoe Lucas kam als Kunststudentin in den 1970ern das erste Mal dorthin und lebt nun seit Jahrzehnten überwiegend alleine auf der Insel. Die Regisseurin Jacquelyn Mills filmt sie bei ihren alltäglichen Beobachtungen von Flora und Fauna. Ihre Studien zur Population verwilderter Pferde, für die die Insel bekannt ist, und allgemein zur Biodiversität auf Sable Island, haben die autodidaktische Wissenschaftlerin zu einer geschätzten Expertin gemacht. Auch das Sammeln erschreckender Mengen Plastikmülls gehört hier zum Alltag. Mills filmt auf 16 mm und das Material verleiht der kargen Landschaft besondere Schönheit. Wissenschaft und Kunst verschmelzen in den Aktivitäten der beiden Frauen und bereichern sich gegenseitig. Die Bewegungen von Käfern werden in Musik verwandelt. Pferdemist liefert Lucas interessante Daten. Mills experimentiert mit ihm, mit Algen und anderen Pflanzen in der Filmbelichtung und -entwicklung.
21.11.2023, Di, 19:00, B-Movie: "Nuestra voz de tierra, memoria y futuro" und "Flores del Otro Patio"
"Nuestra voz de tierra, memoria y futuro"
CO 1981, 108', OmU, Regie: Marta Rodríguez & Jorge Silva, Infos zum Film
Zu Gast: Diana Sánchez (Filmemacherin)
Das Anthropozän als Kolonialgeschichte. In diesem Meilenstein des kolumbianischen Kinos vermischen sich Dokumentarfilm und Fiktion zu einer poetischen Anklage gegen die Ausbeutung der Pueblos Orginarios. Über vier Jahre begleiteten Marta Rodríguez und Jorge Silva die Indigenen in der Cauca-Region in Kolumbien. In einer Mischung aus Fiktion und Dokumentarfilm zeigen sie ihren Kampf gegen Landraub, Armut und politische Unterdrückung durch das Militär. Der Film zeigt, wie die Umweltzerstörung, insbesondere die Abholzung und Verschmutzung von Land und Wasser, das Leben der indigenen Bevölkerung und der Bauerngemeinschaften in Kolumbien bedroht. Der Film betont die enge Verbindung zwischen der kulturellen Identität dieser Gemeinschaften und ihrer Umwelt.
"Flores del Otro Patio" (Vorfilm)
CH/CO 2022 ,15', Regie: Jorge Cadena, Trailer
Im Norden Kolumbiens nutzt eine Gruppe von Queer-Aktivisten ihre Extravaganz, um mit performativen Aktionen die katastrophale Ausbeutung der größten Kohlemine Kolumbiens anzuprangern.
Diana Sánchez ist eine audiovisuelle Künstlerin und Kamerafrau. Sie absolvierte ihr Studium der Film- und Fernsehproduktion in Kolumbien. Sie hat einen Schwerpunkt im Bereich Performance, Music und Dokumentarfilm und lebt und arbeitet in Hamburg.
24.11.2023, Fr, 19:00, B-Movie: "33 Tage Utopie"
D 2020, 125', OmU, Regie: Roswitha Ziegler (Wendländische Filmkooperative), Trailer
Zu Gast: Roswitha Ziegler
Die freie Republik Wendland ist bis heute ein Symbol für Widerstand und Protestkultur in der BRD. Für 33 Tage existierte im Mai 1980 ein Protestcamp unter diesem Namen nahe dem geplanten Atommüll-Endlager Gorleben, das für die teilnehmenden Personen konkrete Utopie und gelebter Widerstand zugleich war. Der Film begibt sich auf eine Spurensuche nach diesem Nicht-Ort, zeigt Archivmaterial und befragt Zeitzeug*innen und folgt dem Archäologen Attila Dézsi, der die Überreste der freien Republik von 2017 bis 2018 ausgrub.
Roswitha Ziegler ist Filmemacherin und gründete 1975 mit anderen die Wendländische Filmkooperative, die seit 40 Jahren den Kampf der Anti AKW Bewegung im Wendland dokumentiert.
28.11.2023, Di, 19:30, MS Stubnitz: "Leviathan"
GB/US 2012, 87', ohne Dialog, Regie: Lucien Castaing-Taylor & Véréna Paravel, Trailer
Zu Gast: Sea Shepherd (Input vor dem Film)
Eine experimentelle Beobachtung des Fischfangs in der rauen und gefährlichen Umgebung des Nordatlantiks. Der Film verzichtet weitgehend auf traditionelle Erzählstrukturen und Interviews und setzt stattdessen auf beeindruckende visuelle und akustische Elemente. Mehrere Go-Pro-Kameras, die an Fischernetzen, den Arbeitern und am Schiff selbst befestigt sind, geben eine ungeahnte Perspektive auf die Umgebung. Der Film ist ein intensives und immersives Erlebnis und vermittelt die Fragilität der Beziehung zwischen Mensch und Natur angesichts der ökologischen Veränderungen und der Ausbeutung der Meeresressourcen.
Sea Shepherd ist eine internationale, gemeinnützige Meeresschutzorganisation zum Erhalt der Artenvielfalt und des marinen Ökosystems.